Es sind die Begegnungen mit Menschen…

…die das Leben lebenswert machen

Aktuelle Position: Playa del Carmen, Mexiko (die letzte Station unserer Reise)

Nichts prägt und beeinflusst uns so sehr wie die Menschen, mit denen wir tagtäglich zu tun haben. Auf dieser Reise sind die meisten Begegnungen und Bekanntschaften flüchtig. Umso intensiver ist die Verbindung zwischen Guido und mir. Mir gefällt es, dass unsere Gespräche lebendig sind. Jeder Tag ist so intensiv, dass wir immer wieder neue Themen haben. Hin und wieder geht jeder von uns eigene Wege, aber 80 Prozent der Zeit verbringen wir miteinander. Natürlich gibt es gelegentlich Situationen – vor allem, wenn wir müde und erschöpft sind – in denen es auch mal zu kleinen Reibereien und Konflikten kommt, aber im Großen und Ganzen „tragen wir uns gegenseitig“ während dieser Reise. Mich bereichert es, dass wir unsere Erlebnisse teilen können und dass Guido in meinem Leben ist.

Muscheln für alle!

Wer möchte in einer der Hängematten chillen?

Die kleine Stadt Valladolid im Landesinneren bereichert uns ebenfalls. Ohne Plan ziehen wir morgens los, entdecken einen authentischen Markt mit allerlei Leckereien, nette Cafés und schließen uns einer Führung durch ein außergewöhnliches Museum an. Ein amerikanisches Ehepaar, das seit Jahrzehnten durch Mexiko reist, hat tausende mexikanischer Kunstgegenstände gesammelt und diese in ihrem Privathaus, dem „Casa de los Venados“ geschmackvoll arrangiert. Die prächtige Villa beherbergt mehrere Gästezimmer, einen Innenhof, einen Poolbereich und schließlich noch die Privatwohnung der Inhaber. Endlich erfahren wir die Hintergründe der „esqueletos“ in Mexiko, Wissenswertes über Frida Kahlo und noch viel mehr. Ich bin begeistert, kann mich gar nicht sattsehen und mache unzählige Fotos. Die Skelett-Figuren, welche oft einen großen Hut tragen, werden „La Caterina“ genannt. Sie sind das Symbol für den „Dia de los Muertos“, welcher unserem Feiertag „Allerheiligen“ entspricht. Im Gegensatz zu uns Deutschen feiern und ehren die Mexikaner ihre Verstorbenen und Ahnen zwei Tage lang mit großen Fiestas, lauter Musik und bunten Farben. Aber nicht nur an diesen Tagen, sondern das ganze Jahr über sind die Figuren präsent. Sie erinnern uns daran, dass wir alle denselben Weg nehmen „müssen“: Wir werden geboren, wir altern, wir sterben. Völlig unabhängig davon, ob wir arm oder reich sind. Deshalb ist es wichtig, das Leben zu genießen und zu feiern. Unser Führer erklärt den Sachverhalt so gut, dass mir die Tränen in die Augen schießen. Was für eine wundervolle Begegnung!

Esqueletto

Zu Ehren Frida Kahlos

Etwas skeptisch sitzen wir am nächsten Tag im Bus und lassen uns wieder einmal tiefkühlen, während wir Richtung Norden fahren. Ein Geheimtipp soll sie sein, die kleine Halbinsel El Cuyo. Die Anreise ist etwas beschwerlich, es gibt keine Parties in der Nacht und keine Liegestühle am Strand. Daher lassen viele Reisende den Ort und die kilometerlangen Strände links liegen. Unser neuer Gastgeber kümmert sich bereits vor unserer Ankunft rührend um uns, fragt nach, wie die Anreise verläuft und lässt uns von einem Moto-Taxi abholen. Ein klitzekleines Hotel am Ortsrand und nur 50 Meter vom Strand entfernt haben wir ausgewählt. Es entpuppt sich als wahres Juwel samt Yoga-Shala, Slackline und einem feinen Frühstück. Aber entscheidend ist die Freundlichkeit und Herzlichkeit von Joaquin, der uns empfängt. Die Schuhe landen im Eck und wir spazieren barfuß am Strand entlang. Der Sand ist weiß und fein, das Meer warm und türkisblau. Außer einigen Kitesurfern ist der Strand fast menschenleer. Die Luft umschmeichelt wie Samt unsere Haut und ich spüre, wie dieser Ort vor „Prana“ nur so strotzt. Zum ersten Mal sehe ich Pelikane und sofort liebe ich diese Tiere. El Cuyo ist ruhig und ursprünglich, bietet aber dennoch einige gute Restaurants und angenehme Unterkünfte. Nun haben wir doch noch das karibische Paradies gefunden. Zur rechten Zeit sind wir am richtigen Ort! Die vielen Baustellen lassen ahnen, dass die Idylle bald vorbei sein wird. Die Grundstückspreise schießen in die Höhe, immer mehr Einheimische verkaufen ihr Land an Investoren und ziehen in die nächstgrößere Stadt.

Karibik pur in El Cuyo

Ich werde die Murales vermissen

Am nächsten Tag ist sie da: Meine Studienfreundin Diane. Zwanzig Jahre haben wir uns nicht gesehen. Guido und ich holen sie an der Bushaltestelle ab und sofort ist alles wie früher. Stundenlang sitzen wir in einem Restaurant und reden. Unzählige Studentenpartys haben wir miteinander gefeiert, auf Prüfungen gepaukt, sind zusammen durch Malaysia gereist und haben dann nach dem Studium allmählich den Kontakt zueinander verloren. Die beiderseits eingespeicherten Telefonnummern sorgen dafür, dass Diane meinen „Mexiko“-Status in WhatsApp sieht, kurz nachdem sie ihren Flug dorthin gebucht hat. Was für eine glückliche Fügung! Die Tage in El Cuyo beginnen mit langen Strandspaziergängen, wir beobachten die Pelikane, sehen einen Seestern und saugen die Meeresluft in uns auf. Spontan chartern wir an einem perfekten Tag ein kleines Boot. Das Meer ist blau wie nie, die Sonne wärmt uns und wir haben einen jungen Kapitän, der vor Lebensfreude nur so strahlt. Er gehört einer Traditionsfamilie des Ortes an, die das Privileg hat, nach Oktopussen zu tauchen. Jeden Tag verbringt er mehrere Stunden im Wasser. Außerdem hat er Architektur studiert und ist für die Baugenehmigungen vor Ort zuständig. Er will dafür sorgen, dass El Cuyo seinen Charme nicht verliert. Möge es ihm gelingen! Ein trauriges Erlebnis trübt die unbeschwerte Stimmung: Wir essen am frühen Abend in einem rustikalen Restaurant Meeresfrüchte, als ein extrem betrunkener Mann ein Messer zieht und damit den Wirt sowie die Frauen in der Küche angreift. Der korpulente Wirt kann den Übeltäter zum Glück „entwaffnen“ und überwältigen. Obwohl die Situation ernst ist, können wir uns vor Lachen kaum halten, als die Polizei mit einem Quad und regelrechten Salatschüsseln auf dem Kopf als Helme anrückt. Handschellen werden angelegt und mangels Platz auf dem Quad wird der Täter mit dem Moto-Taxi abtransportiert. Andere Länder, andere Sitten!

…und immer wieder die Beach-Cruiser

Pelikane

Dann reicht es uns mit der Karibik-Idylle und wir reisen weit in den Süden zur „Lagune der sieben Farben“ nach Bacalar. Diane bringt frischen Wind in unsere „Reisegruppe“, wir freuen uns über ihre Gesellschaft und ihre Offenheit. Obwohl unsere Gespräche tiefgründig sind entsteht keine Schwere. Wir drei können vollkommen ehrlich miteinander reden. Über das, was in den vergangenen Jahren unser Leben ausgemacht hat. Über das, was uns aktuell beschäftigt. Über die Zukunft und alles, was vor uns liegt. Ich merke deutlich: Es sind die Begegnungen mit Menschen, die das Leben lebenswert machen. Wie toll ist es, dass wir nach vielen Jahr wieder miteinander reisen, dass alles locker und unkompliziert ist. Die Verbindung zu den Menschen in meiner Heimat ist ein Grund, warum es mich nach Hause zieht. Ich vermisse meine Schwester, meine Nichten, meine Freunde, die Nachbarn, die vertrauten Gesichter beim Einkaufen oder beim Bummeln durch die Stadt und vor allem meine Yogaschüler. Auch wenn es heutzutage einfach ist, via Mobiltelefon oder E-Mail in Kontakt zu bleiben, so geht meines Erachtens nichts über „echte“ Begegnungen. Ich will den Mensch sehen, hören, spüren, ihm in die Augen blicken. Die Mexikaner sind sehr offen und zugänglich. Von Diane lerne ich, wie einfach es ist, mit ihnen in Kontakt zu kommen und ein Gespräch zu beginnen. Da sich mein Spanisch in den vergangenen Wochen erheblich verbessert hat, kann ich einfache Unterhaltungen in der Landessprache bestreiten und so öffnen sich viele Türen für mich.

Morgenröte beim Strandspaziergang

Die Lagune der sieben Farben

Mit der Gewissheit, in ein paar Tagen nach Hause zu fliegen, fühlt sich die Reise nun mehr nach „Urlaub“ an. Die Zeit ist limitiert, es gibt einen greifbaren Fixpunkt, eine Art „Ziel“. Ich beginne damit, meinen Rucksack „auszumisten“ und freue mich, dass endlich Platz für ein paar Mitbringsel entsteht. Noch ein atemberaubend schöner Segeltörn auf der azurblauen Lagune, eine Busfahrt in den etwas bizarr anmutenden Strandort Mahahual und schon bricht die letzte Woche dieser langen, aufregenden Reise an. Eine kleine Ungewissheit bereitet mir Bauchschmerzen: Guido weiß noch nicht, ob er die Reise alleine fortsetzt oder mit mir zusammen nach Aalen zurückkehrt. So eng wir miteinander sind, so viel Freiheit gestehen wir uns zu. Ich verstehe es vollkommen, wenn er sein Sabbatical nutzen und weiterhin reisen möchte. Ein Teil von mir sehnt sich sogar nach einer Phase des völligen Alleinseins. Andererseits sind wir zusammen aufgebrochen, hinausgegangen in die weite Welt und es wäre wundervoll, gemeinsam und vor allem gesund zurückzukehren. Während Diane und ich unseren „Mädelsurlaub“ in Mahahual am Strand und die gemeinsame Zeit genießen, bleibt Guido an der Lagune, um in sich hineinzuspüren und in aller Ruhe seine Entscheidung zu treffen. Beides schätze ich sehr – sowohl die Tage mit Diane als auch Guidos ruhige, besonnene Art. Dann kommt die Nachricht: „Ich habe denselben Flug gebucht wie Du. Ich komme mit nach Hause.“

Die fünf Menschen, mit denen wir die meiste Zeit verbringen, prägen unser Leben und unsere eigene Persönlichkeit entscheidend. Manche Menschen suchen wir uns bewusst aus, mit anderen werden wir konfrontiert, zum Beispiel im Arbeitsumfeld. Welche Beziehungen, welche Begegnungen machen Dein Leben lebenswert? Gibt es Personen, die Dir Energie rauben? Wer bestärkt Dich, unterstützt Dich, wer bringt Schwung in Dein Leben und inspiriert Dich? Manches Mal ist es an der Zeit, Menschen und Beziehungen loszulassen. So entsteht Raum für neue Begegnungen, die uns einen anderen Blickwinkel offerieren und unserem Leben eine neue Wendung geben können. Ich freue mich auf alle Begegnungen zuhause und auf Dich!